Gamification in der Automobilindustrie ist ein Aufwärtstrend. Viele Automobilunternehmen machen sich mehr und mehr die Prinzipien der Gamification und des Digital Engagements zunutze, um Mitarbeiter wie Kunden zu motivieren, Aufmerksamkeit zu generieren und langfristig an sich zu binden.
Durch den geschickten Einsatz von Maßnahmen, die das Engagement und die Motivation steigern, mit Unternehmen und Produkten zu interagieren, lassen sich deutliche Umsatzsteigerungen erzielen.
Manche Beispiele der Gamification im Automotivebereich sind deutlich auf das Spaßempfinden der Nutzer ausgelegt – die sogenannten explizite Gamification. Andere Beispiele, wie etwa das virtuelle Mitarbeitertraining von Audi, machen sich Mechanismen zunutze, um die Motivation der Mitarbeiter, das Lerninteresse oder den Kaufanreiz zu steigern, ohne explizit als Gamificationmechaniken hervorzustechen – die so genannte implizite Gamification.
Hier sind einige Beispiele erfolgreicher Gamification im Automotive Bereich.
[powerkit_toc title=“Das ist hier drin“ depth=“2″ min_count=“4″ min_characters=“1000″]Porsche Austria – Loyalitätsprogramm BONEO
BONEO ist ein innovatives Loyalitätsprogramm, das 2018 von Porsche Austria veröffentlicht wurde.
Das Loyalitätsprogramm nutzt zahlreiche Gamification-Mechaniken, um Kunden der Automarken langfristig an die Unternehmen zu binden: In Form einer App ist BONEO mit dem Auto verbunden. Nutzer besitzen einen eigenen Avatar, den sie mit digitalen Items verbessern können. Diese Items und weitere Belohnungen, wie etwa eine kostenlose Wochenendfahrt mit einem Porsche oder Audi, werden durch Lootboxen ausgeschüttet – das sind Beutetruhen, die Nutzer von Zeit zu Zeit erhalten. In diesen Lootboxen können viele Belohnungen des Programms gefunden werden – welche man genau bekommt, ist Glückssache.
BONEO ist außerdem mit den lokalen Autohändlern vor Ort integriert.
Das Programm ist ein schönes Beispiel für den Einsatz digitaler Gamification, um die Interaktion mit Kunden nachhaltig motivierend zu gestalten.
Mehr Informationen zu BONEO gibt’s außerdem hier auf der offiziellen Webseite – die Webseite ist inzwischen offline. Was Volkswagen mit dem Programm vorhat (ob es gestoppt oder derzeit weiterentwickelt wird), ist leider nicht bekannt.
Audi – Virtuelles Mitarbeiter Training
2018 kündigte Audi ein virtuelles Trainingsprogramm für seine Mitarbeiter im Autohaus an. In einem computerspiel-ähnlichen Setting üben die Mitarbeiter den richtigen Kundenkontakt, haben es mit witzigen, herausfordernden und schwierigen Situationen zu tun und müssen diese virtuellen Begegnungen mit ebenso virtuellen, aber teilweise schwierigen Kunden meistern.
Diese virtuellen Kunden, mit denen die Mitarbeiter klarkommen müssen, besitzen ein Stimmungsbarometer – ähnlich dem, wie es etwa Spiele wie Die Sims schon vorgemacht haben. Der Mitarbeiter, der das Trainingsprogramm durchläuft, kann dadurch sofort sehen, welche Reaktionen seine Handlungen auslösen – und es beim zweiten Mal besser machen, wenn er sich suboptimal verhalten hat. Ein gutes Beispiel für die Gamification-Mechanik des Fast-Feedback.
Das Konzept des virtuellen Trainings hat ganz klar zum Ziel, das Lernen des richtigen Umgangs mit Kunden spaßiger zu gestalten. Audi will die Trainings aus einem reinen Lernkontext, der bei Mitarbeitern oft unbeliebt ist, herausheben, und durch das spielerische Konzept ansprechender, aber eben auch nachhaltiger gestalten. Wer Spaß beim Lernen hat, so die Devise, merkt sich das Gelernte besser und ist generell aufgeschlossener, die geübten Inhalte später auch einzusetzen.
Darüber hinaus ist der Ansatz, virtuelle Trainings durchzuführen, natürlich auch viel besser skalierbar. Die Resultate können sich sehen lassen: Laut Audi benutzen bereits mehr als 570 Autohäuser in Deutschland das Gamification-Trainingsangebot.
Hyundai – The Walking Dead Chop Shop
Im Jahr 2013, als die Serie ‚The Walking Dead‘ weltweit Millionen Menschen vor den Bildschirm lockte und ein internationaler Hype um Zombies ausgebrochen war (im Sinne von: plötzlich fanden alle Zombies total spannend und lustig), sprang Hyundai mit einer hochwertig produzierten Gamification-App auf den Zombie-Hype-Zug auf.
Das Ergebnis: Ein virtueller Auto-Konfigurator, bei dem Nutzer ein Hyundai-Modell mit verschiedenen Panzerungen, Waffen, Zombie-Abwehr-Utensilien, Stacheln und so weiter ausrüsten konnten. Was man zur Zombie-Abwehr eben so braucht.
Die App wurde kostenlos angeboten und durch analoge Werbeanzeigen, digitale Ads und Street Events beworben. Teilnehmer konnten durch das regelmäßige Nutzen der App, durch das Beantworten von Fragen oder durch Aktivität in Social Media neue Ausrüstungsteile freischalten und ihre virtuellen Zombie-Abwehr-Autos mit der Community teilen und untereinander vergleichen.
Eine spielerische Möglichkeit, um ein bereits Spektrum der margenträchtigen jungen Zielgruppe auf die verschiedenen Hyundai-Modelle aufmerksam zu machen. Die App wurde viele Millionen Mal heruntergeladen und tausendfach geteilt.
Ford – Efficiency Leaves
Bereits 2009 führte Ford die so genannten Efficiency Leaves ein. Dieses Gamification Beispiel motiviert Fahrer, besonders effizient und energiesparend zu fahren.
Die Efficiency Leaves sind virtuelle Pflanzen auf dem Bildschirm im Fahrzeuginneren, die, je nach Fahrweise, wachsen und neue Blätter hinzugewinnen, oder Blätter verlieren, wenn ineffizient gefahren wird. Die Efficiency Leaves gibt es noch heute – das Bild oben stammt aus einem aktuellen Modell.
Ford selbst sagt über seine Effciency Leaves:
Die Efficiency Leaves sind ein schönes Beispiel für implizite Gamification im Automotive-Bereich. Fahrer sind motiviert, ihre virtuellen Pflanzen mit vielen Blättern heranwachsen zu lassen, und lernen somit ganz nebenbei, wie sie besonders effizient und sparend fahren. Die Anzeige der Blätter ist intuitiver und attraktiver, als etwa ein bloßer numerischer Score.
WAZE – Gamifizierte Navigations-App
WAZE ist eine Navigationsapp, die auf die Teilnahme ihrer Nutzer setzt. Immer dann, wenn Nutzer einen neuen Blitzer, eine Straßensperre oder einen Stau bemerken, können sie dies der App und somit allen anderen Nutzern, die ebenfalls WAZE installiert haben, mitteilen.
Um die Motivation, neue Verkehrsinformationen in die App einzutragen, zu steigern, hat sich WAZE ein Avatar- und Fortschrittssystem ausgedacht – ein schönes Gamification Beispiel.
Alle Nutzer der App verfügen über einen kleinen Avatar. Dieser Avatar ist auf der Karte sichtbar – während ich fahre, sehen also andere meinen Avatar, und ich sehe den Avatar der Anderen.
Um einen Avatar upzugraden, damit dieser schöner aussieht und Nutzer von der Community als erfahrenes und wertvolles Mitglied angesehen werden, muss man Punkte sammeln, die WAZE für das Hinzufügen neuer Informationen (wie etwa Staus, Blitzer usw.) ausschüttet.
Zusätzlich dazu liegen manchmal ein paar Punkte auf den virtuellen Straßen, die beim Darüberfahren aufgehoben werden. Eine gelungene Möglichkeit, Nutzer zu alternativen Routen zu motivieren, um aufkommenden Staus vorzubeugen.
WAZE war damit so erfolgreich, dass Google das Unternehmen für 1,1 Milliarden Dollar aufgekauft hat.
Ford – Fordpass App
Fordpass ist eine App von Ford, die mit dem eigenen Fahrzeug verbunden werden kann.
Nutzer können über die App verschiedene Fahrzeugfunktionen steuern (beispielsweise die Heizung, auch dann, wenn sie nicht im Fahrzeug sind, aber schon einmal vorheizen wollen), Daten wie Tank und Reifendruck ablesen, Routen ins Navigationssystem eintragen oder auch einfach nachschauen, wo das Fahrzeug genau geparkt wurde – sollte man das einmal vergessen.
Fords Ziel ist klar: Die App soll künftig als Kundenschnittstelle dienen. Weil Nutzer ihr Fahrzeug und die App verbinden müssen, findet Ford heraus, welches Fahrzeug gefahren wird, was die Fahrroutinen sind, ob vielleicht noch Kinder mit an Board sind, und so weiter. Auf Basis dieser Daten kann viel effizientere Werbung geschaltet werden.
Ford hat zusätzlich Badges in die App eingebaut – für bestimmte Aktionen, regelmäßige Nutzung und das Verknüpfen weiterer Services wie etwa FordPay schaltet der Nutzer Abzeichen frei.
Leider sind diese Badges eher halbherzig implementiert. Abzeichen aktivieren extrinsische Motivationen, und das bloße Hinzufügen von Bagdes, Punkten oder Leaderboards ist eine typische Falle, in die viele laufen: Die Motivation, die dadurch entsteht, ist nicht nachhaltig genug.
An dieser Stelle hat Ford also eine gute Idee – nämlich durch Gamification das Engagement der Nutzer ihrer Autoapp zu erhöhen – nur mittelprächtig umgesetzt. Mit einer besseren Implementierung ließen sich sicherlich noch deutlich höhere Nutzungszahlen generieren. Aber dennoch: Auch Ford ist dran am Thema und testet sich aus.
Volkswagen – Speed Camera Lottery
Die Idee zur Speed Camera Lottery (zu Deutsch etwa: Blitzer-Gewinnspiel) entstand im Rahmen der Werbemaßnahmen zu Volkswagens BlueMotion Technologie im Jahr 2011.
Sie ist ein erfolgreiches Beispiel für Gamification im Automotive Bereich und hat weltweit große Anerkennung geerntet. Das Konzept hinter dem Blitzer: Menschen zum langsameren und bewussteren Fahren zu motivieren, ohne bloß auf Geldstrafen zu setzen.
Und so funktionierte das Konzept: Die in Schweden aufgestellte Kamera machte von allen vorbeifahrenden Autos ein Bild – auch jene, die nicht zu schnell fuhren. Für das geschwindigkeitsbewusste Vorbeifahren legten Fahrer nämlich automatisch ein Los in einen virtuellen Topf. Das Bußgeld all jener Fahrer, die zu schnell unterwegs waren, wurde dann unter denjenigen, die nicht negativ aufgefallen waren, verlost.
Die Kamera war mit einem großen Display ausgestattet und gab allen vorbeifahrenden Fahrern, die sich an das Geschwindigkeitslimit hielten, einen Daumen nach oben. Dadurch und durch das virtuelle Los fühlten sich die Fahrer beim legalen Fahren nicht einfach nur nicht bestraft, sie fühlten sich belohnt. Die Kamera fügte eine zusätzliche Motivation, die Geschwindigkeitsgrenze nicht zu überschreiten, hinzu, weil es jetzt nicht nur etwas zu verlieren, sondern eben auch etwas zu gewinnen gab. Das Durchfahren des Blitzers wurde zum Spiel.
Die Erfolge waren überragend: Die Durchschnittsgeschwindigkeit aller vorbeifahrenden Autos konnte um 22% gesenkt werden. Gleichzeitig haben Volkswagens Verkäufe in Schweden, wo die Kamera aufgestellt wurde, deutlich zugelegt. Zu welchen Teilen dieser Anstieg aber auf die Kamera und den damit verbundenen Marketingeffekt zurückzuführen ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen. In jedem Fall ist die Speed Camera Lottery ein gelungenes Beispiel für Gamification im Automotive Bereich.
Mercedes – Urban Hunt
Im Jahr 2018 startete Mercedes eine Gamification Marketing Aktion in Zürich, um die Einführung des neuen Mercedes GLC Coupes zu begleiten.
Zentrales Element der Aktion war eine Mixed-Reality-App mit dem namensgebenden Titel Urban Hunt. Teilnehmer der Aktion installierten die App auf ihrem Smartphone und waren dann Mitglied in einer Marketingaktion, welche die ganze Stadt zu ihrem Spielfeld machte.
Mercedes-Benz Modelle fungierten dabei als „Hunter“, die die Teilnehmer quer durch die Stadt jagten. Die Position des Hunters konnten die Spieler auf ihrem Smartphone verfolgen. Es gab Health-Packs, die eingesammelt werden konnten und Fallen, die ausgelegt wurden, um anderen Mitstreitern das Leben schwer zu machen. Ziel war es nämlich, besonders lange zu überleben, um am Ende den Hunter – also das echte Mercedes-Benz-Fahrzeug – mit nach Hause nehmen zu dürfen.
Zuschauer und Spieler, die bereits ausgeschieden waren, konnten das Event außerdem live auf Bildschirmen verfolgen, die in der Stadt montiert wurden. Eine virtuelle Karte zeigte an, wo sich der Hunter und wo sich die Teilnehmer befanden, und gab Auskunft darüber, wer gefangen wurde.
Insgesamt nahmen mehrere Tausend Menschen an der Aktion teil. Ein tolles Gamification Beispiel, wie mithilfe einer großangelegten Marketingaktion viele Tausend Menschen zum Mitmachen bewegt wurden, und viele weitere Tausend durch die mediale Aufmerksamkeit, die das Event nach sich zog, über die Einführung des neuen Modells informiert wurden.
Lexus – Augmented Reality App
2020 veröffentlichte Lexus eine App, mit der sich die Neuauflage des Modells IS, das 2021 auf den Markt kommt, vorab begutachten lässt.
Nutzer können durch ihr Smartphone das virtuelle Auto direkt in ihrer Wohnung platzieren, es von allen Seiten begutachten und die Türen öffnen.
Das Auto kann personalisiert und beispielsweise in der Farbe angepasst werden.
Das hat bislang noch wenig mit Gamification zu tun, aber hier kommt der Clou dieses Beispiels: Nutzer können das Auto virtuell fernsteuern und wie ein ferngesteuertes Spielzeug durch das eigene Haus jagen – alles über den Smartphone-Bildschirm natürlich, denn das Auto existiert ja bloß virtuell.
Um die Reichweite der App organisch zu steigern, hat Lexus außerdem eine Snapshot-Funktion eingebaut. Das Auto kann, nachdem es durch den Nutzer angepasst und in eine passende Umgebung gesetzt wurde, abfotografiert und auf Social Media veröffentlicht werden.
Noch mehr Beispiele?
Kennst Du weitere Beispiele, die auf diese Liste sollten? Dann schreib‘ mir gerne eine Nachricht oder teile mir dies unten in den Kommentaren mit!