Spiegelneuronen und Empathieempfinden können zu besseren Produkten führen, die mehr Umsatz generieren. Um zu verstehen, wobei es sich dabei handelt, hilft folgende Szene:
James Bond liegt in seinem Bett. Das weiße Laken bedeckt seinen schlafenden Körper. Dann ist ein leises Klicken zu hören, und etwas Schwarzes schiebt sich auf das Laken. Eine Spinne, so groß wie ein Handballen. Die Krallen an ihren Beinen hinterlassen kleine Dellen im Stoff, während sie sich viel zu schnell auf Bonds Kopf zubewegt. Sein Mund steht halb offen.
Die meisten Menschen dürften bei diesen Sätzen ein gewisses Unbehagen verspürt haben. Noch größer wird dieses Unbehagen, wenn man die beschriebene Szene nicht nur ließt, sondern auch sieht. Sie stammt aus einem James Bond Film. Was wohl Sean Connery gespürt hat, als er die Szene abdrehte? In jedem Fall kann man die Angst sehen, die ihm ins Gesicht geschrieben ist, als er aufwacht und die Spinne bemerkt. Aber man sieht sie nicht nur. Man spürt sie auch.
Szenenwechsel: Eine Folge How I Met Your Mother. Irgendeine Person sagt etwas Lustiges. Man hat nicht genau hingehört, weil man in sein Handy vertieft war. Aber man hört das Lachen, das eingeblendet wird. Und lacht unweigerlich mit. Obschon wir den Witz gar nicht verstanden haben, finden wir es trotzdem lustig.
Fakt ist: Menschen fühlen, was andere Menschen fühlen. Das Phänomen heißt Empathie. Eigentlich nichts Neues – neu ist nur, dass Empathie mehr und mehr im Businesskontext angewandt wird. Wer mehr darüber wissen will, wie man Empathie für Kreativprozesse nutzen will, dem sei dieses Video empfohlen.
Jeder Mensch besitzt in seinem Hirn sogenannte Spiegelneuronen – das sind Nervenzellen, die das, was wir sehen und hören, „spiegeln“. Mit anderen Worten: Wir fühlen mit, weil einige der dann aktivierten Hirnzellen genau die gleichen sind, die auch dann feuern, wenn wir eine Handlung selbst erleben – und nicht nur sehen oder hören. Computerspiele nutzen Spiegelneuronen bereits sehr erfolgreich – manchmal werden sie daher auch als Gamification Mechanik betrachtet.
Christian Keysers, der den Spiegelneuronen ein ganzes Buch gewidmet hat, resümert daher: „Daher wird auch verständlich, warum es und so viel leichter fällt, das Verhalten eines Paares vorherzusagen, das kichern in Richtung Schlafzimmer tänzelt, als das von Würfeln zu prognostizieren – weil wir Menschen sind und keine Würfel.“
Wir fühlen, was andere fühlen
Es lassen sich viele Beispiele finden, in denen die Spiegelneuronen aktiv sind. Wenn wir sehen, wie sich jemand einen Nagel in den Finger rammt, zucken wir unweigerlich zusammen. Wir spüren den Schmerz nicht wirklich, aber eben doch ein wenig – den Spiegelneuronen sei Dank.
Spiegelneuronen führen dazu, dass Menschen Empathie empfinden und empathisch handeln können. Nicht nur im Alltag, sondern auch in der Wirtschaft – und vor allem in der Art und Weise, wie digitale Produkte gebaut werden.
Die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinversetzten zu können und mitzufühlen, aber auch die Fähigkeit, das Spiegelsystem von Menschen ganz gezielt anzusteuern, sind entscheidend für den Aufbau moderner und erfolgreicher Produkte. Viele Unternehmen haben das noch nicht bemerkt – und bauen in der Folge langweilige, seelenlose und funktionale Dinge, die keine Begeisterung auslösen.
Wenn man aber weiß, wie andere Menschen ticken – und wie ihr Spiegelsystem funktioniert, kann man Produkte bauen, die so fesselnd sind wie das Anschauen der Spinne, die über den Körper von James Bond kriecht: Sie lassen und nicht mehr los, weil sie unser Spiegelsystem aktivieren!
Empathie für erfolgreichere Produkte nutzen
Ich nenne das Phänomen der Spiegelneuronen im Businesskontext gerne Customer Empathy. Weil es eben genau darum geht: Den Kunden als Mensch zu verstehen und Produkte zu bauen, dieser Tatsache gerecht werden.
Menschen sind letztlich hochsoziale Wesen. Nicht umsonst erkennen wir beispielsweise in den einfachsten Formen ein Gesicht. Zwei Punkte und ein Halbmond sind ausreichend, dass wir sagen: Oh, ein Smiley. Wir sehen das lachende Gesicht, und lachen innerlich mit.
Das kann man nutzen.
Hier sind 3 Beispiele, wie das Spiegelsystem genutzt wird – häufig ohne, dass wir es merken.
1. Empathie in Bildern: Menschen statt Dingen
Die Werbekampagnen von Hilfsorganisationen setzen auf eindrückliche Bilder armer Kinder – wir sehen das Leid, das ihnen ins Gesicht geschrieben steht, und fühlen mit. Bilder, die Empathie hervorrufen, weil Menschen oder Tiere darauf abgebildet sind, aktivieren uns viel stärker, als Abbildungen von Dingen.
Vergleiche diese beiden Bilder. Sie stammen beide von der Umweltorganisation Greenpeace.
Quellen: Greenpeace, hier und hier
Es ist offensichtlich, dass das rechte Bild unser Spiegelsystem viel stärker anspricht. Wir sehen die Person und können das Plastik fast selbst im Mund spüren. Der Tanker auf dem linken Bild hingegen ist zu abstrakt. Er aktiviert die Spiegelneuronen nicht – und wir fühlen auch nichts.
2. Empathie zur Steuerung des Fokus und der Blickrichtung
Webseiten platzieren Bilder von Menschen, die in die Richtung derjenigen Buttons blicken, auf die wir als Nutzer klicken sollen. Wir folgen nahezu automatisch dem Blick der abgebildeten Personen und fokussieren den Button. Dagegen kann man sich kaum wehren.
Die meisten Menschen folgen dem Blick der Person. Wenn links nun ein Button platziert wäre… die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer darauf klicken, ist mit einem solchen Bild deutlich höher.
3. Automatische Prozesse empathisch gestalten
Chatbots, wie beispielsweise der virtuelle Avatar Eve des Stromanbieters Yello, werden mit einer menschlichen Persona ausgestattet, die, durch Animationen begleitet, Mimik und Gestik beherrscht und den Nutzer damit zum Lachen bringt. Das Beispiel ist schon einige Jahre alt, aber allein die Tatsache, dass Menschen Youtube-Videos des Bots aufgenommen haben, spricht für dessen Erfolg.
Die Idee, einen Chatbot durch menschliche Mimik und Gestik empathisch zu machen, ist simpel, aber genial. Es gibt kaum eine einfachere Möglichkeit, tausende Kunden gleichzeitig persönlich und individuell anzusprechen – ohne, dass hierfür echte Kundenberater oder Support-Mitarbeiter nötig wären.
Emotionen direkt in den Kopf den Kunden schicken
Es klingt wie Science-Fiction, aber durch Spiegelneuronen – also durch das Empathiesystem im Menschen – lassen sich Emotionen quasi direkt und ohne Umwege in die Köpfe der Kunden schicken.
Spiele ein Lachen ab – und die Zuhörer lachen mit. Zeige das Bild eines traurigen Menschen, und der Zuschauer wird selbst ein bisschen traurig. Anwendungsbeispiele gibt es zuhauf.
Es macht daher Sinn, Dinge nicht nur zu erklären, sondern vorzumachen und zu zeigen.
Ein Beispiel: Ein potentieller Kunde landet auf der Webseite seiner Lieblingsautomarke und konfiguriert sich einen Neuwagen. Am Ende steht er vor der Wahl: Er kann die Konfiguration verwerfen, er kann sie speichern, oder er kann sie bestellen.
Wenn es nun ein Video gäbe, das einen anderen Kunden zeigt, wie dieser eine Konfiguration bestellt, den Wagen erhält und dann glücklich damit losfährt – würde ein Teil der Neuronen des echten Kunden diese Dinge gedanklich spiegeln.
Mit anderen Worten: Ein Teil des Gehirns würde beim bloßen Ansehen des Videos das Auto tatsächlich kaufen.
Anschließend fällt der Klick auf den „Bestellen“-Button viel einfacher. Das Spiegelsystem hat genau dies nämlich bereits beim Anschauen getan.
Das funktioniert natürlich nicht immer und bei jedem Menschen. Wer nicht kaufen will, kauft auch dann nicht, wenn er ein Video sieht. Aber in der Masse könnte die Rate der Abschlüsse der Automarke, die ihren Konfigurator mit einem solchen Video abrundet, deutlich gesteigert werden.
Wie viel mehr Umsatz Audi, Mercedes oder BMW wohl durch eine so kleine Optimierung machen könnten?